Fikri Anıl Altıntaş ist Autor, Projektmanager und Botschafter für UN Women Deutschland. Als freier Autor schreibt er u. a. über Rollenbilder, Feminismus und die (De-)Konstruktion von Männlichkeit. Wir haben mit ihm über Gleichberechtigung, seine Wünsche an die Spitzenkandidat_innen der Bundestagswahl und Lösungen für Geschlechterdiskriminierung gesprochen.

Lieber Anil, was ist dir #weltweitwichtig?

Mir ist #weltweitwichtig, dass Männer nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung für eine geschlechtergerechte Welt sind.

Was genau bedeutet Gleichberechtigung und Gleichstellung für dich?

Es bedeutet zunächst das Versprechen und auch die politische Pflicht, dafür zu sorgen, Menschen gleiche und faire Chancen auf ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Für mich bedeutet es nicht nur ein Ziel, sondern auch den Prozess, gemeinsam für ein gesellschaftliches Zusammenleben zu kämpfen und alle Menschen gleichberechtigt daran teilhaben zu lassen.

Wie würdest du deinem Gegenüber den Begriff „Feminist Ally“ erklären?

Als jemand, der sich seiner Privilegien als Cis-Mann bewusst ist und seine Macht und Plattformen dafür nutzt, Ungerechtigkeiten anzuprangern. Er ist Teil der Lösung, nicht des Problems, wenn wir eine geschlechtergerechte Welt erreichen wollen.

Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Was wünschst du dir von den Spitzenkandidat_innen?

Teilhabe und Repräsentation. Es müssen wirksame und strukturelle Veränderungen stattfinden, um den wachsenden rechten und rassistischen Strukturen in Deutschland entgegenzutreten und eine Gesellschaft der Gleichwertigkeit zu schaffen. Und vor allem braucht es Teilhabe, Repräsentation und auch Schutz von nicht-weißen Menschen in Deutschland.

Von einer Gesellschaft ohne Rollenbilder sind wir noch weit entfernt – auch in Deutschland. Wo siehst du die größten Hindernisse?

In einer Ungleichheit und Manifestation von Rollenbildern, die meist in den Köpfen anfängt. Ein großes Hindernis fängt bei der Werbung an, wo wir täglich mit diskriminierenden Rollenbildern konfrontiert werden. Und hört bei der Struktur und der Art und Weise auf, wie Politik gemacht wird: meist von Cis-Männern für Cis-Männern. Das führt dazu, dass sich Realitäten von und Erwartungen über Lebenswelten an Cis-Männern orientieren, die meist auch nur ihnen Vorteile verschaffen. Wir müssen dringend damit aufhören, alles was weiblich konnotiert wird, abzuwerten und damit den gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen zu versperren. Und gemeinsam dafür kämpfen und sagen: Feminismus nimmt Männern nichts weg, im Gegenteil: Es macht uns als Gesellschaft besser!

Was denkst du? Wie wird das Problem Geschlechterdiskriminierung auf internationaler Ebene angegangen und wie sehen die nationalen Lösungsansätze aus?

Die Frage ist zu komplex und zu groß, als dass ich sie beantworten könnte. Wir sehen aber, dass sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen noch immer ein großes Problem ist, das vor allem mit überholten Vorstellungen von Männlichkeit verknüpft ist. Wir sehen international einen Zuwachs anti-feministischer Parteien und Regierungen. Besonders im digitalen Raum verbreiten sich maskulinistische und misogyne Gruppierungen, die die Sichtbarkeit von Frauen und LGBTIQ*-Personen einschränken und Gewalt ausüben. Wir brauchen weitere verbindliche Abkommen wie das Istanbul-Abkommen und Peking+25. Frauen verdienen weiterhin weniger, sind weniger repräsentiert in nationalen Parlamenten, überproportional von Hunger, Armut und Vertreibung betroffen und in vielen Ländern gibt es keine Rechtsvorschriften gegen häusliche Gewalt – das muss sich ändern.
Vielen Dank Anil für das spannende Gespräch.